Es ist immer ein spannender Moment, wenn man sich als Autor einer Buchhandlung nähert, die man noch nicht kennt, in einer fremden Stadt oder einem fremden Stadtteil. Oder in meinem Fall: eine Buchhandlung, die man nicht zu kennen glaubt, in einem Stadtteil, in dem man lange nicht war. Was wird einen dort erwarten? Wer wird einen wie begrüßen?
Als das „Büchereck Niendorf-Nord“ mich einlud, aus meinem Kriminalroman „Treibland“ zu lesen, habe ich mich sehr gefreut, denn ich bin ein bisschen nostalgisch veranlagt: Vor 25 Jahren kam ich zum ersten Mal für länger (drei Monate!) nach Hamburg, um ein Praktikum in der Redaktion von „Brigitte“ zu machen. Weil ich schlecht organisiert war und mein Mitwohnzentralen-Zimmer erst einen Monat später frei wurde, durfte ich die ersten vier, fünf Wochen bei Freunden meines Vaters in Niendorf-Nord wohnen. In der Paul-Sorge-Straße. Im Hobbykeller. Ich erinnere mich undeutlich, aber nicht ungern an diese Zeit, weil sie so was wie den Anfang meiner Berufslaufbahn markiert: es war die erste Ausbildungsstation, bei der ich mich richtig wohl fühlte.
Abends lief ich dann damals, im November 1989, immer vom U-Bahnhof durch Niendorf-Nord, voller Eindrücke, mit ein bisschen Heimweh nach Berlin (den Mauerfall in der Niendorfer Fußgängerzone zu erleben war, bei aller Liebe, nicht ganz dasselbe) und, wenn ich mich richtig erinnere, mit mindestens einem orange-roten Hemd mit Paisley-Muster (die Achtziger waren noch nicht vorbei!).
Daran erinnerte ich mich, als ich jetzt vor zehn Tagen aufs „Büchereck“ zusteuerte: mit jedem Schritt kam mir alles bekannter vor, und spätestens, als ich an der Post vorbeikam, von der aus ich damals immer meine Freundin in West-Berlin angerufen hatte, wurde mir klar: die Ecke kenne ich wirklich ganz genau. Und tatsächlich auch das „Büchereck“, das damals noch ganz neu und um die Ecke war.
In meiner Lesung habe ich dann den Witz gemacht, wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich hier im „Büchereck“ in 25 Jahren aus meinem ersten Krimi lesen würde, hätte ich gesagt: „Spinnst du? In drei Jahren, spätestens in fünf!“ Dieser Scherz sollte natürlich nur meine leichte Rührung überdecken. Auf seltsame Weise war im „Büchereck“ zu lesen für mich nämlich wirklich wie Nach-Hause-Kommen, an einen Ort, von dem aus ich mich für 25 Jahren in die Zukunft träumte. Und spätestens als Christiane Hoffmeister mich schon in der Tür mit einem herzlichen „Sie sehen ja gar nicht so fies aus wie auf Ihrem Foto!“ begrüßte, wusste ich: hier bin ich richtig! Selten habe ich vor, nach und während einer Lesung so viel gelacht. Und ich werde nicht noch mal 25 Jahre verstreichen lassen, bis ich wiederkomme.
Text: Till Raether
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